„Suche Frieden und jage ihm nach!“ (Psalm 34,15)
Das ist das biblische Wort, die Losung für das Jahr 2019, die das große Wort „Frieden“ in Beziehung zu unserem Leben, Reden und Tun bringen will. Frieden findet jeder gut. Aber was sind wir bereit, dafür zu geben? Das zu Ende gehende Jahr 2018 war ein Jahr des Gedenkens, das an erschütternde Ereignisse von Krieg und organisierter Gewalt inmitten Europas erinnerte: 1618 begann der Dreißigjährige Krieg, ein über Jahrzehnte loderndes politisch-religiös angefeuertes Gemetzel.
1918, vor hundert Jahren, endete der Erste Weltkrieg, der sich an rücksichts- und diplomatielosen Nationalismen entzündete. Aus dieser bis dahin analogielosen Vernichtung lernte man – leider Gottes – so gut wie nichts. Der Wahn eigener rassischer und nationaler Überlegenheit führte zur Verfolgung von Minderheiten in Deutschland, die 1938 zunächst im eigenen Land mit brennenden Häusern und der Inhaftierung, Verschleppung und Ermordung jüdischer Bürgerinnen und Bürger begann und zum Zweiten Weltkrieg und der Massenermordung von Abermillionen Menschen führte. Was hat die Erinnerung an die Schrecken von Diktatur, Gewalt und Krieg mit uns heute zu tun? Verstärkt sie in uns das Bewusstsein der Dringlichkeit, sich um den Frieden wirklich zu bemühen? Sehen wir auf die Debattenkultur in Politik und Gesellschaft, im eigenen Land wie international, so entsteht der Eindruck, dass Menschen heute glauben, wieder mit dem Feuer spielen zu können. Nationalismus flammt erneut und ohne Scham in unseren Reihen wieder auf. Minderheiten werden angegriffen und pauschal für soziale und gesellschaftliche Probleme verantwortlich gemacht. In öffentlichen Diskursen haben Brandstifter das Podium bestiegen und stiften Unfrieden und Misstrauen. Man verkauft Waffen und hofft auf das Ausbleiben der Explosion.
Frieden hingegen braucht die Hingabe aller, die ihn sich wünschen: von engagierten Politikerinnen und Politikern. Von mutigen Journalistinnen und Journalisten, die ihre ethischen Grundsätze angesichts einzelner greller Gegenstimmen nicht aufgeben. Von Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihrem Engagement für eine friedliche, freiheitliche Gesellschaft nicht nachlassen und nicht einfachen Parolen folgen. Ja, von jedem Einzelnen, der vor der Entscheidung steht: Was zählt mehr – der eigene Vorteil oder der Friede aller? Diese Frage leitet uns, wenn im kommenden Jahr die Europawahlen anstehen. Wenn wir die Friedensbildung zum wesentlichen Bestandteil der Pädagogik machen in ganz Europa. Wenn wir weiter Einspruch erheben gegen den Rüstungsexport.
Frieden ist keine Kür, sondern ein Gebot des Heiligen Gottes. Es ist an uns ausgesprochen, „dass es die Elenden hören und sich freuen“ (Psalm 34,3). Die Elenden, das sind die Verlierer der Waffen- und Wirtschaftsdeals, die Verwundbaren: Sie leiden unter der wachsenden Eskalation und unter falschem Frieden, der nicht mit Gerechtigkeit einhergeht. Die Jahreslosung mahnt mit allem Ernst, diesen Frieden, den nur die Gerechtigkeit bringen kann, zu jagen und zu suchen. Wer sich in den Dienst des Friedens stellt, der gehört dem Lebendigen Gott an: „Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Matthäus 5,9)
Gott ist der Gott des Friedens, der seinen Frieden schenkt, so wie Christus es spricht: „Friede sei mit Euch.“
Dr. h. c. Frank Otfried July
Landesbischof Württemberg
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